Skip to content

Wahnsinn mit Methode – 57 Alben von Omar Rodríguez-López

Fast sechzig Solo-Alben in zwanzig Jahren, das klingt unwahrscheinlich oder vielleicht auch größenwahnsinnig – selbst der unermüdliche Prince hat es in den gut 35 Jahren seiner Karriere auf keine sechzig Alben, Frank Zappa in 27 Jahren ’nur’ auf gut 50 offizielle Veröffentlichungen gebracht. In diesem Fall liegt die Betonung dazu noch auf ›Solo‹, denn bei Omar Rodríguez-López kommen zu dem beeindruckenden Solowerk noch etliche weitere Veröffentlichungen mit seinen Bands The Mars Volta, At the Drive-In oder Antemasque hinzu.

 

 

Kein Wunder, dass viele Fans dieses vielseitigen und überaus experimentierfreudigen Gitarristen in den letzten Jahren den Überblick verloren haben. López Ausstoß an neuen Alben war zwischen 2004 und 2017 so regelmäßig und vielfältig, dass selbst die begeistertsten Progrockfans kaum noch hinterherkamen – oder hat es irgendjemand geschafft, von den allein 2016 veröffentlichten 13 Alben wirklich keines zu verpassen?

Genauso größenwahnsinnig wie dieser Output ist auch die jetzt erschienene Box Amor De Frances mit sämtlichen Soloalben von Omar Rodríguez-López seit 2004, die meisten davon zum ersten Mal überhaupt auf Vinyl veröffentlicht. Vier Schuber mit 57 Vinylalben – und einer kaum fassbaren Menge an abwechslungsreicher, mittreissender, treibender, mutiger – und mitunter auch anstrengender Musik.

 

 

Ein musikalischer Steinbruch, in dem man Wochen und Monate verbringen und immer neue Entdeckungen hinter den zum Teil reichlich kryptischen Albentiteln machen kann. Hier vier willkürlich ausgewählte Beispiele:

  • Cryptomnesia von 2006 mit einer aus The Mars Volta-Kollegen und neuen Freunden in sechs Tagen eingespielte Tour-de-Force aus dem alles antreibenden, manischem Schlagzeugspiel (Zach Hill), wilden Breaks und den überbordenden Gitarrenriffs von Lopez, sorgsam in geschichteten Layern zusammengepresst.
  • Despair von 2009, eine Musique-Concrète Miniature aus Alltagsgeräuschen und Soundwolken, ohne Groove, aber jedes Stück immerhin nach einem von Fassbinders Filmtiteln benannt.
  • Old Money von 2008, das mit dichten Soundflächen, mit elektronischen Verfremdungen, mit Flirren und Wabern den Kopf jedes King Crimson Fans zum Wippen bringen wird. Ein durch und durch packendes Album!
  • oder Roman Lips von 2017, das mit einem treibenden, songorientierten Ansatz wunderbare Rocksongs voller Energie zu bieten hat.

Wirklich erstaunlich, wie vielseitig dieser Mann ist, denn sein jetzt auch auf Vinyl zu bestaunendes Solowerk ist keinesfalls auf fantasievollen Progrock beschränkt. Von Acid Jazz bis zu Fusionjazz, von experimentellem Rock bis zu elektronischem Pop enthält die limitierte Sammelbox mit dem unaufgeregten Titel »Amor de Frances – Parts I/II/III/IV« viele funkelnde Steine, die zu entdecken und umzudrehen ein zeitintensives, aber überaus befriedigendes Abenteuer ist.

Bestandteil der Box sind auch zwei bisher unveröffentlichte Alben, darunter mit ’Is It The Clouds’ das erste Soloprojekt seit dem Tod seiner Mutter 2017. Und das hört man dem Album an: es klingt nachdenklich, ruhig und introvertiert. López verarbeitet den Verlust, seine Unruhe und Haltlosigkeit in erstaunlich deutlichen Texten. Die Musik baut über langen Bassloops, verhallten Chören und verfremdeten Gitarrenläufen einen erstaunlich spannenden Hintergrund für den intensiven Gesang auf. Dafür, dass hier nichts in die Pop-Welt abgleiten kann, steht der rhythmische Einfallsreichtum und die Intensität insbesondere des Schlagzeugs, das mit synkopierten Schlägen und dezenten Taktwechseln für Spannung sorgt. Ein im positiven Sinn verblüffendes Album.

Wahrscheinlich ist Omar Rodríguez-López einer der produktivsten Musiker überhaupt – wir werden also noch viele Überraschungen von ihm erwarten können. Vinylbegeisterte, die das nicht unerhebliche Budget für diesen schwarzen Schatz aufbringen können, sind auf die weiteren musikalischen Abenteuer von Herrn López bestens vorbereitet.

Alle anderen können sich nun auch ihre eigenen Perlen aus Werk herausbrechen, denn seit dem 19.01. gibt es die Alben auch einzeln auf Vinyl zu kaufen!

2024
1. Culk – Culk (2019)
2. Vinylrausch-Special: LÜÜL – Multimediale Lesung & Konzert
3. The Low Frequency In Stereo – Travelling Ants Who Got Eaten by Moskus (2004)
4. Hamburg Blues Band im Quasimodo – Bluesrock vom Feinsten!
5. Wahnsinn mit Methode – 57 Alben von Omar Rodríguez-López
6. John Cale / Terry Riley – Church of Anthrax (1971)
7. Vinylrausch #62 – die schwarze Review
8. Baxter Dury – The Night Chancers (2020)
9. Lambchop – Mr. M (2012)
10. Leonard Cohen – New Skin for Old Ceremony (1974)
11. Eine neue Review: Vinylrausch #63
12. Melvin van Peebles – What the … You Mean I Can’t Sing?! (1974)
13. Prince and the Revolution – Purple Rain (1984)
14. D’Angelo and The Vanguard – Black Messiah (2014)

Dieser Beitrag hat 0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

An den Anfang scrollen
Suche