Und wieder war es ein ungewöhnlicher Vinylrausch, der uns in einem großen Bogen vom ersten zum letzten Song des Abends mit dem Thema Abschied und Trauer konfrontiert hat. Zwischen der speziellen, von Wolfgang Ambros besungenen hundertjährigen Geburtstagsfeier auf dem Wiener Zentralfriedhof und dem endgültigen Abschied in dem Culk-Song ›Dein Gehen‹ haben Bilderbuch mit dem Album des Monats etwas ausgleichende Leichtigkeit in den Abend gebracht.
Schick Schock sprüht vor Lebensfreude, Ekstase und herzerfrischendem Unsinn. Das vor zehn Jahren erschienene Album ist hervorragend produziert und dank unablässig sprudelnder musikalischer Ideen keine Minute langweilig. Sound und Mischung haben einhellig beeindruckt und konnten auch die wenigen Gäste, die bislang nicht auf einem Bilderbuch-Konzert gewesen sind, von der Band überzeugen.
Unser Gast Doro, die Bilderbuch seit 2013 als Tourmanagerin begleitet, stand nach der ersten Platte Rede- und Antwort. Sie hat auf die Live-Qualitäten und die Improvisationsfreude der Band verwiesen und einige erhellende Geschichten aus dem Touralltag erzählt. Herzlichen Dank an Doro für den sehr sympathischen Blick hinter die Kulissen einer echten Rockband!
Man hört, dass die jungen Musiker von Bilderbuch die Plattensammlungen ihrer Väter genau kennen – in der Sammlung seines Vaters hat Michel, schon 25 Mal Gast beim Vinylrausch, Wolfang Ambros entdeckt und vorgeschlagen. Besten Dank für diesen großartigen Tipp!
Ambros hat uns zu Beginn des Abends auf Es lebe der Zentralfriedhof mit dem echten Wiener Schmäh bekannt gemacht, indem er die Lebenslust und Feierwut, das Granteln und die Melancholie der Wiener selbstironisch auf die Spitze treibt. Tolle Songs, abwechslungsreiche Musik und eine gute Pressung.
Culk – Live 2024 in Berlin
Culk sind dann von mir – nachdem es zweimal sehr viel und vor allem euphorisches Feedback beim Vinylrausch #27 und #62 gegeben hat – wohl mit etwas zu viel Vorschusslorbeeren bedacht worden. Auf jeden Fall gab es nach der zweiten Seite von Generation Maximum von mehreren Seiten Kritik an den Texten und, wenn ich es richtig verstanden habe, an dem verschwommenen Gesang von Sophie Löw. Schön, dass ich dann aber doch Unterstützung von einem Besucher bekommen habe, der extra aus Hannover für den Rausch angereist war. Über Musik kann man nicht streiten, darum bleibe ich dabei: Culk sind eine großartige junge österreichische Band, die mit düsterer Klarheit die Verantwortung für den ganzen Schlamassel, in dem wir uns gerade befinden, von sich weisen. Denn die Generation Maximum wird ausbaden müssen, was wir verbockt haben …
Der Abend war dann, das wurde von Michael und Ingo sicher zu Recht angemerkt, weniger ein Eintauchen in den berühmt-berüchtigten Wiener Schmäh, als vielmehr eine Momentaufnahme der aktuellen österreichischen Rockszene, mit Rückblick auf eines der einflussreichsten Alben des Austropop/rock. Sehr unterhaltsam, aber auch traurig und erfrischend kontrovers.
Ver-schmäht übrigens deshalb, weil es viele der angemeldeten Gäste bei den überraschenden 27 Grad in Berlin wohl doch lieber in den Biergarten getrieben hat. So sind sie, die Berliner …
Ein intensiver Vinylrausch mit männlichen Blicken aus weiblicher Perspektive und rumpelnden Klängen von zwei eigenwilligen Stimmen.
1975
Joni Mitchell – The Hissing of Summer Lawns
The Hissing of Summer Lawns ist ein reiches Werk, das uns beim intensiven VR #73 mit dem männlichen Blick auf Frauen in den Siebzigern konfrontiert hat.
Rain Dogs ist voller dichter Songs über Aussenseiter und verlorene Seelen – beim VR #73 haben wir das längste und eines der vielseitigsten Alben gehört.
Ein Rausch, in den wir uns hineinfallen lassen konnten: über dreißig Jahre Musikgeschichte, von Rhythmusschleifen getragen ...
1972
Can – Ege Bamyasi
Auf Ege Bamyasi haben Can zu ihrem Sound gefunden: lange, repetitive Improvisationen auf Seite A, Hits und herausfordernde Experimente auf der B Seite. Gehört beim puren VR #72
1985
The Fall – This Nation’s Saving Grace
This Nation’s Saving Grace steckt voller Überraschungen und ist gleichzeitig von ständig wiederholten Rhythmus-Patterns geprägt. Ein kraftvolles Erlebnis beim VR #72
2005
Tocotronic – Pure Vernunft darf niemals siegen
Pure Vernunft darf niemals siegen hat mit lakonischen Texten und der hypnotischen Qualität zweier verzerrte Gitarren endlich die Hamburger Schule zum VR #72 gebracht.
Zwei Meisterwerke der Musikgeschichte in einem ausverkauften VR. Selten hat ein Vinylrausch so bewegt, wie dieser.
1965
John Coltrane - A Love Supreme
Das Meisterwerk A Love Supreme haben wir beim VR #9, dem „heiligen“ Rausch, und 60 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung beim VR #71 genießen können.
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