Skip to content

Review #74 – der ver-schmähte Vinylrausch

Und wieder war es ein ungewöhnlicher Vinylrausch, der uns in einem großen Bogen vom ersten zum letzten Song des Abends mit dem Thema Abschied und Trauer konfrontiert hat. Zwischen der speziellen, von Wolfgang Ambros besungenen hundertjährigen Geburtstagsfeier auf dem Wiener Zentralfriedhof und dem endgültigen Abschied in dem Culk-Song ›Dein Gehen‹ haben Bilderbuch mit dem Album des Monats etwas ausgleichende Leichtigkeit in den Abend gebracht. 

Schick Schock sprüht vor Lebensfreude, Ekstase und herzerfrischendem Unsinn. Das vor zehn Jahren erschienene Album ist hervorragend produziert und dank unablässig sprudelnder musikalischer Ideen keine Minute langweilig. Sound und Mischung haben einhellig beeindruckt und konnten auch die wenigen Gäste, die bislang nicht auf einem Bilderbuch-Konzert gewesen sind, von der Band überzeugen. 

Unser Gast Doro, die Bilderbuch seit 2013 als Tourmanagerin begleitet, stand nach der ersten Platte Rede- und Antwort. Sie hat auf die Live-Qualitäten und die Improvisationsfreude der Band verwiesen und einige erhellende Geschichten aus dem Touralltag erzählt.
Herzlichen Dank an Doro für den sehr sympathischen Blick hinter die Kulissen einer echten Rockband! 

Man hört, dass die jungen Musiker von Bilderbuch die Plattensammlungen ihrer Väter genau kennen – in der Sammlung seines Vaters hat Michel, schon 25 Mal Gast beim Vinylrausch, Wolfang Ambros entdeckt und vorgeschlagen. Besten Dank für diesen großartigen Tipp! 

Ambros hat uns zu Beginn des Abends auf Es lebe der Zentralfriedhof mit dem echten Wiener Schmäh bekannt gemacht, indem er die Lebenslust und Feierwut, das Granteln und die Melancholie der Wiener selbstironisch auf die Spitze treibt. Tolle Songs, abwechslungsreiche Musik und eine gute Pressung. 

Culk sind dann von mir – nachdem es zweimal sehr viel und vor allem euphorisches Feedback beim Vinylrausch #27 und #62 gegeben hat – wohl mit etwas zu viel Vorschusslorbeeren bedacht worden. Auf jeden Fall gab es nach der zweiten Seite von Generation Maximum von mehreren Seiten Kritik an den Texten und, wenn ich es richtig verstanden habe, an dem verschwommenen Gesang von Sophie Löw. Schön, dass ich dann aber doch Unterstützung von einem Besucher bekommen habe, der extra aus Hannover für den Rausch angereist war.
Über Musik kann man nicht streiten, darum bleibe ich dabei: Culk sind eine großartige junge österreichische Band, die mit düsterer Klarheit die Verantwortung für den ganzen Schlamassel, in dem wir uns gerade befinden, von sich weisen. Denn die Generation Maximum wird ausbaden müssen, was wir verbockt haben … 


Der Abend war dann, das wurde von Michael und Ingo sicher zu Recht angemerkt, weniger ein Eintauchen in den berühmt-berüchtigten Wiener Schmäh, als vielmehr eine Momentaufnahme der aktuellen österreichischen Rockszene, mit Rückblick auf eines der einflussreichsten Alben des Austropop/rock.
Sehr unterhaltsam, aber auch traurig und erfrischend kontrovers. 

Ver-schmäht übrigens deshalb, weil es viele der angemeldeten Gäste bei den überraschenden 27 Grad in Berlin wohl doch lieber in den Biergarten getrieben hat. So sind sie, die Berliner … 

Vinylrausch #74
1. Culk – Generation Maximum (2023)
2. Bilderbuch – Schick Schock (2015)
3. Wolfgang Ambros – Es lebe der Zentralfriedhof (1975)
4. Vinylrausch #74 – der österreichische Rausch
5. Review #74 – der ver-schmähte Vinylrausch

Comments (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

An den Anfang scrollen
Suche