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Der blaue Vinylrausch #53 – Review

Bekanntermaßen muss man ein wenig Geduld haben in Berlin, dann entwickeln sich die Dinge eines Tages doch: nach 51 Veranstaltungen war der Vinylrausch – ein »ziemlich einmaliges Format« – gleich zweimal in den Medien (RadioEins/Tagesspiegel). Das hat das Interesse erheblich angefacht, für den blauen Vinylrausch #53 sind so viele Anmeldungen eingegangen, wie noch nie. Weil die Plätze in der Sputnik-Bar begrenzt sind, konnten diesmal leider nicht alle Anmeldungen bestätigt werden. Aber der Vinylrausch kommt wieder, es gibt schon bald eine zweite Chance!

Viele neue Gesichter also, die einhellig angetan bis begeistert schienen. Das Programm bot einige Überraschungen und mit Kiryk Drewinski von der Band Wedge auch noch einen gestandenen Gitarristen und Songschreiber als Gast!

»Ich habe ein Gefühl für die Zukunft bekommen …«

Auf Truth, unserem Album des Monats beim Vinylrausch #53, hat Jeff Beck sein Gefühl für die Zukunft des englischen Bluesrocks formuliert. Er gräbt dazu tief in der Vergangenheit des Blues, bedient sich bei Klassikern von Willie Dixon und animiert Rod Stewart als Sänger zu ausdrucksstarken Improvisationen.

Das Album fällt produktionstechnisch auseinander, das war deutlich zu hören: Titel wie ‘Superstitious’ oder ‘Ol’ Man River’ mit den mächtigen, wohl von Keith Moon geschlagenen Pauken hatten eine große Bühne und klangen filigran abgemischt. Andere Stücke schienen eher unausgewogen, auch was die stereophone Mischung angeht. Wir konnten eine englische Pressung von 1968 auflegen – Dank an Frank Wonneberg! – die durch und durch ordentlich klang und in den produzierten Passagen erstaunlichen Druck auch in den Bässen aufgebaut hat. Bemerkt wurde das austarierte Verhältnis zwischen Gesang und Gitarre, die sich auf der CD-Version und unter Kopfhörern eher überlagern.

Ein vielfältiges Album mit überraschenden Song-Arrangements, einem gefühlvollen Sänger – und einem überaus einfallsreichen Gitarristen!

Eine Schlange an der Gitarre

Harvey Mandel Album Baby Butter

An Harvey Mandel schieden sich die Geister: Ein Besucher konstatierte einen Fehlgriff und hätte lieber Rory Gallagher gehört, andere hielten das Album für eine Sensation und Entdeckung. Wie immer, gilt auch hier: über Musik kann man nicht streiten …

Auf jeden Fall waren die positiv überraschten Zuhörer in der Mehrzahl. Sie haben den souligen Groove und den ungewöhnlichen Kontrast zwischen satten Streichern als Rhythmusgeber und den gefühlvollen, bluesorientierten Soli von Harvey Mandel genossen. Unser Gast Kiryk Drewinski hat darauf hingewiesen, das Jeff Beck im selben Jahr 1971 einen ähnlichen Sound gefunden hat. Besonders das zweite Stück des Albums ›Rouch and Ready‹ klingt dem Titelstück Baby Batter verblüffend ähnlich, wenn auch mit etwas mehr Funk und in anderem Tempo.

»Get your algorithm’n’blues …«

Diese Zeile aus dem Titelstück ‘Computer‘ bringt die Musik von Wedge auf den Punkt: Wedge erinnern sich an die Vergangenheit und klingen dabei nach taufrischer Gegenwart. Ihre Musik ist dynamischer, von Gitarre und Orgel angetriebener Rock in der klassischen Trio-Besetzung. Besonders die präsente Orgel in den gehörig Druck aufbauenden Songs erinnerte einige Zuhörer an Deep Purple. Jeder Kommentar in diese Richtung war aber mit dem Hinweis versehen, dass man zwar die Herkunft hört, Wedge aber alles andere als ein Imitat seien.

Im Gespräch betonte Kiryk Drewinski, dass die drei Musiker hauptsächlich Musik aus den Sechziger- und Siebzigerjahren hören würden, aus der Anfangszeit des Rock also, als sich die unterschiedlichen Genres entwickelten und ständig neue Ideen die Musikentwicklung antrieb. Drewinski stellte seine Arbeitsweise vor, während der er und die Band musikalischen Ideen und Teilstücke entwickelten, die zusammengesetzt dann viel zu der Lebendigkeit im Sound von Wedge beitragen.

Eine junge, frische Band also, die ihre Herkunft nicht verleugnet und trotzdem aktuell klingt. Für viele Zuhörer war das die nächste Überraschung, die von dem Gitarristen und Songschreiber der Band mit sympathischer Zurückhaltung präsentiert wurde.

Vielen Dank an Kiryk für das schöne Gespräch und die großartige Musik!

Vinylrausch #53
1. Wedge – Like No Tomorrow (2021)
2. Harvey Mandel – Baby Batter (1971)
3. Jeff Beck – Truth (1968)
4. Der blaue Vinylrausch #53 – Review

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