Dieses Mal haben wir unser kleines pop-historisches Seminar auf den Kopf gestellt und das aktuellste Album von 2014 zuerst gespielt. Dafür haben eine ganze Reihe von natürlich rein subjektiven Gründen gesprochen, deren wichtigster war, dass Coogans Bluff auch auf der Zappanale vor zwei Jahren schon nachmittags zu hören waren und dabei selbst hardgesottene Zappa-Fans mit ihrer frischen Mischung aus alten Melodien und neuen Anschlägen ausser Rand und Band getrieben haben.
Auf jeden Fall war dieses Album prädestiniert für den Vinylrausch, denn sogar der Rolling Stone hat es in einer Kritik als „wilden Rausch“ bezeichnet. Den haben wir uns gerne gegönnt.
Wenn die dunkle Leinwand schallt – große Musik im Kino
Danach hat „The Grand Wazoo“ von Frank Zappa und den Mothers gehalten, was wir uns von ihm versprochen haben: es ist ein wahrhaft großer Vogel gewesen, der seine Flügel über der dunklen Leinwand ausgebreitet hat! Das 22-köpfige Orchester war durchsichtig und klar im Raum verteilt, die Instrumente waren fein voneinander zu unterscheiden und dabei erstaunlich luftig übereinander gestapelt. Auf der großen Leinwand waren die einzelnen Tonquellen tatsächlich genau an einem Ort zu lokalisieren: so klang George Dukes Mini-Moog vornehmlich aus dem „Planquadrat C3“ wärend die Holzbläser eher D 6 bis 7 zuzuordnen waren. Man hatte tatsächlich den Eindruck, ein im Raum verteiltes Orchester vor sich „zu hören“ – erstaunlich. Die Kinoanlage punktet also mit einer intelligent hinter der Leinwand arrangierten Soundmatrix und schafft für die meisten Plätze im Zuschauerraum ein Klangbild, das von einer perfekt eingestellten Stereoanlage nur auf wenigen Plätze im Schnittpunkt der Boxen abgebildet werden kann.
Mal wieder hat der Vinylrausch mir damit eine Platte, die ich gut zu kennen meinte, zu einem brauschend neuen Erlebnis gemacht.
Der Sound des Live-Sommers
Wie erwartet haben uns die Allman Brothers dann auf einen Sommer mit Live-Konzerten unter freiem Himmel eingestimmt. Mindestens wenn es um Beschallungstechnik geht hat die Digitalisierung für die Freunde gut klingender Musik einiges bewirkt. Damit meine ich jetzt nicht unbedingt die CD, sondern vielmehr die mittlerweile hervorragend transparent klingenden Anlagen bei Live-Konzerten. Wenn die Crew auf der Bühne und hinter dem Mixer weiß, was sie tut, können Live-Konzerte unter freiem Himmel heute tatsächlich deutlich schönere Erlebnisse sein, als viele Hallengigs. Und zwar in erster Linie aufgrund der nicht vorhandenen Resonanzfrequenzen, denn die kreuz und quer abstrahlenden Reflexionen können einem den Hörgenuss in Innenräumen gründlich verleiden. Der Sound ist aber auch draußen weiterhin eine Herausforderung: wenn die Live-Anlage zu sauber eingestellt ist, bleibt die Gefahr, das ein besonders durchsichtiger Sound zu trocken klingt, um richtig mitreissen zu können.
Dieses Problem gabe es bei den Allman Brothers auf einer Originalpressung von 1971 natürlich nicht – die haben wir übrigens mal wieder von recordsale.de bekommen, danke Max!
„Whipping Post“ war das Vermächtnis von Gregg Allman, der im Mai gestorben ist, und musikalisch das dynamisch groovende Stück, als das wir es erinnert haben. Mit inspirierten und inspirierenden Soli besonders von Duane Allman und einem großen dramaturgischen Bogen, der nach über 22 Minuten dann leider schon zu Ende war.
Damit haben wir uns in die Sommerpause verabschiedet – und sind Ende August mit neuen Entdeckungen für Euch wieder da. Bis dahin wünschen wir Euch einen schönen Festivalsommer!
Eine aufregende Mischung: Synthesizerexperimente bei Todd, unsterbliche Songs und Kompositionen bei Frank und tiefe Emotionen bei Pere
1974
Todd Rundgren – Todd
Todd ist ein merkwürdiges Sammelsurium an musikalischen Ideen. Furchtlos, abwechslungsreich und “ein Werk voller Tiefe und Leidenschaft” – gehört beim arktischen VR #67
1974
Frank Zappa – Apostrophe (‘)
Apostrophe (‘) war als Quadradisc-Mix eine musikalische Offenbarung voller kruder Wortschöpfungen und überbordender Spielfreunde beim arktischen VR #67
2023
Pere Ubu – Trouble On Big Beat Street
Trouble On Big Beat Street ist ein emotional bewegendes Alterswerk, das mit komplexer Instrumentierung und jazzigem Sound ernst gemacht hat beim arktischen VR #67
Ein furioses Saisonfinale mit packenden Songs auf allen drei Alben. Satte Grooves, komplexe Storys und eine Handvoll Hits...
1974
Bob Marley – Natty Dread
Natty Dread ist radikal, voller Hoffnung auf Veränderungen, mit betörenden Melodien und durchdringendem Beat – Album des Monats beim rebellischen VR#66
1979
The Clash – London Calling
London Calling eines der wichtigsten Rockalben überhaupt, nicht nur der 80er Jahre. Ein Stilmix von Rockabilly über Gipsy-Jazz, Garagenrock und natürlich Reggae – gehört beim VR#66
2003
Ben Harper – Diamonds On the Inside
Diamonds On the Inside ist ein verwirrender Stilmix, abwechslungsreich, Tanzbar und voller Ohrwürmer. Erster Song: eine Reggae-Hymne. Gehört beim VR#66
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