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Vinylrausch #23 – Review

Es war wohl dem Klassiker geschuldet, oder der langen Pause, oder beidem: beim letzten Vinylrausch #23 gab es großen Zuspruch und eine ungewohnte Anwesenheitsdisziplin – die Sputnik-Bar war voll belegt!

Weil wir mit dem Sound der Kinoboxen in unserem Exil im Sputnik-Kino noch nicht ganz zufrieden waren, hat uns Micha dieses Mal ein paar original Hans-Deutsch-Boxen aus den 70er Jahren zur Verfügung gestellt und nach einigen Einstellungsschwierigkeiten und Platzierungsversuchen haben wir damit jetzt einen – zumindest bei vollem Haus – sehr schön durchsichtigen und kraftvollen Sound hinbekommen.

Proto-Prog aus Spanien

Unsere erste Platte WHY? von der spanischen Band MAQUINA ist eine ausgesprochene Seltenheit – die wir mal wieder nur dank der großzügigen Kooperation mit recordsale.de auflegen konnten, besten Dank dafür!

Die erste Progressiv-Rock Platte aus Spanien war eine Zäsur für das Land, heute wird die Rockgeschichte in Spanien in eine Prä- und eine Post-WHY? Zeit eingeteilt. Das Album ist 1970 erschienen, als das Franco-Regime in Spanien noch an der Macht war und Plattenveröffentlichungen mit Zensur rechnen mußten. Vor diesem Hintergrund ist es schon bemerkenswert, dass das ikonographische Cover von Why? diese Hürde passiert hat, denn in der mit einer ablaufenden Uhr garnierten Croissant hätte man auch einen Aufruf zum Aufbruch an die spanischen Jugendlichen sehen können. Laut Bassist und Gestalter Jordi Batiste war seine Ansatz aber einfach, ein surreales Motiv aus Alltagsgegenständen zu schaffen und dabei auf Dalis Bildsprache zurückzugreifen.

Die Platte beginnt mit einem herrlich verzerrten Fuzz-Gitarren Gewitter, aus dem sich eine einfache, aber sehr eindringliche Melodie entwickelt, die von zwei Gitarren gegeneinander gespielt wird. I Believe ist tatsächlich eine Entdeckung, ein großartiger Gitarren-Rocksong. Das Titelstück ist dann ein 25 Minuten langer, nicht weniger herausfordernder Jam, bei dem die Instrumente – neben den Gitarren, Bass und Schlagzeug ist auch eine Flöte und ein Saxophon zu hören – über weiten Hammond-Orgel-Flächen improvisieren. Für uns waren darin von Cream über Hendrix bis zum Krautrock viele Einflüsse zu hören.



Die Band hat sich leider recht bald nach der Platte aufgelöst, weil die Musiker nacheinander den damals 15-monatigen Militärdienst antraten. Die Neugründung Mitte der 70er war dann eher eine an Blood, Sweat and Tears und Chicago orientierte Jazz-Rock Band.

Eine wirklich Entdeckung!

 

Pink Floyd – The Dark Side Of The Moon (1973)

Unser Album des Monats war dann das epochale The Dark Side Of The Moon von Pink Floyd. Ein bis heute unheimlich erfolgreiches Album, millionenfach verkauft und jahrelang in den Charts. Dem Gesamtkunstwerk The Dark Side Of The Moon ist etwas sehr seltenes gelungen: es ist gleichzeitig progressiv und mainstream, ein Meisterwerk des Progressiv Rock, dessen kompakte Geschlossenheit und suggestive Harmonik sich auch dem eher populärmusikalisch orientierten Publikum erschlossen hat.

Formal ist es der Prototyp eines Vinylrausch-Albums: Ein bewußt gesetztes Thema wurde von der Band über zwei Seiten zu einem großen, zusammenhängenden Klanggemälde entwickelt, das man unbedingt als Einheit hören sollte. Die Größe und Geschlossenheit von The Dark Side Of The Moon hat seinen Grund in einer Vielzahl von inspirierten Entscheidungen:

  • Grundthemen und Melodielinien wurden von der Band auf der ausgedehnten Tour nach der Veröffentlichung von Meddle mit Hilfe der Energie der Live-Konzerte entwickelt.
  • Sich auf ein inhaltliches Thema zu konzentrieren hat Roger Waters vorgeschlagen und mit großartigen literarischen Texten umgesetzt, die jeweils deutlich machen worum es in den Songs geht und trotzdem genügend Raum für eigene Interpretationen lassen.
  • Das von dem Zustand Syd Barretts inspirierte Thema DINGE, DIE UNS VERRÜCKT MACHEN KÖNNEN, wurde in exemplarischen Miniaturen zu allgemein gültigen Bildern entwickelt, die leider auch heute noch ungebrochen gültig sind.
  • Alan Parsons hat als Tonmeister nicht nur den Sound mit kreiert sondern auch viele gelungene Klangideen beigesteuert.
  • Die Integration von Geräuschen und Textfragmenten im Stil der music concret fügt der großen musikalischen Dynamik des Klangs eine ungewöhnliche und sehr wirkungsvolle Ebene hinzu.

Auf The Dark Side Of The Moon haben vier Musiker, unterstützt durch viel Technik, viele Menschen und viele Zufälle, ihr Meisterstück geschaffen: ein zeitloses, immer noch ungeheuer beeindruckend klingendes Kunstwerk, das wir jetzt in voller Länge und laut genießen konnten.

Das ikonografische Cover ist von Aubrey Powell und Storm Thorgerson geschaffen worden – beide zusammen sind das Foto-Design Studio Hipgnosis, das eine erstaunliche Reihe von erstaunlich einprägsamen Albumcovern geschaffen hat.

In der Berliner Browse-Gallerie sind Werke der beiden aus 50 Jahren Fotokunst noch bis Mitte November zu sehen.

 

Kate Busch – The Kick Inside (1978)

Während der Fokus 1973 bei Pink Floyd eindeutig auf dem Klang lag, hat Kate Bush fünf Jahre später mit The Kick Inside ein aufsehen erregendes Debüt vorgelegt, das ganz im Zeichen des Songs stand.



Kate Bush war tatsächlich erst 19 Jahre alt, als das Album erschien. Sie hatte die Songs aber zum Teil schon viele Jahre vorher geschrieben, so soll The Man with the Child in His Eyes schon 1971 entstanden sein, als sie 13 Jahre war. Kate Bush war also schon in jungen Jahren ein erstaunliches Talent, das fast 50 Songs auf ein Demotape aufgenommen und an Plattenfirmen verschickt hatte – ohne Erfolg. Über einen Freund der Familie wurde David Gilmour auf sie aufmerksam und förderte sie, in dem er drei ihrer Stücke in einem professionellen Studio produzieren ließ und das Tape dann mit einer klaren Anweisung an den Chef einer Plattenfirma schickte. Kate Bush bekam darauf hin sofort einen Vertrag – und behielt auch mit ihrer Entscheidung recht, Wuthering Heights den Vorzug als Single-Auskopplung zu geben – statt des von der Plattenfirma bevorzugten, rockigeren James and the Cold Gun.



Für einige Vinylrausch-Hörer, die damals als Jugendliche diese Single mit der unverwechselbar hohen Stimme von Kate Bush wochenlang im Radio hören mußten, war die A-Seite von The Kick Inside darum vielleicht eine kleine Herausforderung, die anzunehmen sich aber in jedem Fall gelohnt hat. Auch wenn die Songs alle in der Abfolge von Strophe und Refrain mit erstaunlicher zeitlicher Präzision gleich aufgebaut sind, funktionieren sie perfekt. Es sind fantastische Pop-Songs mit einem unverwechselbaren Sound, der von Kate Bush und den erfahrenen Studiomusikern des Alan Parsons Projects mit vielen schönen musikalischen Ideen angereichert wurde.



Während die Anlage mit den Hans-Deutsch-Boxen beim Einhören mit dieser Platte noch recht scharf und spitz in den Höhen geklungen hatte, war der Sound nachher im voll besetzten Sputnik sehr harmonisch. Das lag natürlich auch an der Erstpressung von 1978, die uns Michael mitgebracht hat – vielen Dank dafür!

Es war ein großer Rausch, aus dem wir mit einem furiosen Pop-Klassiker zurück in die Dunkelheit entlassen wurden.

Vinylrausch #23
1. Kate Bush – The Kick Inside (1978)
2. Pink Floyd – The Dark Side Of The Moon (1973)
3. Maquina – Why? (1970)
4. Der dunkle Rausch
5. Vinylrausch #23 – Review

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