Psychedelischer Soul, mysteriös groovender Funk und ausgefeilt produzierte elektronische Tanzmusik – der Vinylrausch #32 war wieder etwas ganz besonderes.
Der Black Moses predigt den psychedelischen Soul
Los ging es natürlich mit dem Jubiläums-Album, dem vor 50 Jahren erschienenen ‘Hot Buttered Soul’ von Isaac Hayes. Dieses in völliger künstlerischer Freiheit von dem ehemaligen Stax-Hitschreiber Hayes zusammen mit den blutjungen Musikern der Bar-Keys aufgenommene Album ist ein einflussreicher Meilenstein der Pop-Geschichte. Er hat eine Saat gelegt, die in Genres wie Disko oder Rap aufgegangen ist und die Trip-Hop Grooves von Portishead oder Tricky gedüngt hat. Der Sound der aktuellen amerikanischen Pressung war durchsichtig und klar und wurde von unseren Hans-Deutsch Boxen in den Höhen vielleicht etwas zu scharf, im Groove aber entschieden wiedergegeben. ‘Walk On By’ hat mit aufbrausenden Streichern und scharfen Wha-Wha Gitarrensounds die melancholische Traurigkeit des Originalsongs ironisch übersteigert. Und auf ‘Hyperbolic…’ konnte Isaac Hayes mit seinen perfekt gesetzten Läufen auf der Hammond-Orgel zeigen, das er auch selbst ein Meister des funkigen Soulgrooves ist.
Der Sound der achtziger Jahre
Fünfzehn Jahre nach dieser Ikone des Psycho-Soul hatten Produzenten wie Tevor Horn die Tanzmusik übernommen: ‘Welcome to the Pleasuredome’ ist eine hedonistisches Rhythmusorgie, bei der die Streicher nun aus dem Synthesizer kommen. Die A-Seite beginnt mit einem vergleichbar bombastischen Intro aus donnernden Bassdrum-Gewittern und sphärischen Chören. In die zwei Minuten lang erklingenden und im Londoner Zoo aufgenommen Vogelstimmen bricht irgendwann der gnadenlose Beat ein – der Dschungel ruft diese, sich an der eignen Hybris berauschenden ›Shootingstars‹, die schon in ihrem ersten Song sicher sind, das sie niemals aufhören werden: »Shooting Stars never stop, even when they reach the top …« Die musikalische Perfektion, mit der hier das ausgefeilte auf- und ab des alles beherrschenden Beats arrangiert wurde, machte auch diese Tanzplatte zu einem Vinylrausch-Erlebnis.
Der Geisterfunk gedenkt Onkel Paul
Eine richtige Entdeckung war dann aber das Ghost Funk Orchestra. Das Label hat ihre Musik auf der Plattenhülle als Mysterious Groove-Based Psych klassifiziert – das Album hat dann auf verblüffend vielfältige Weise gezeigt, was man darunter zu verstehen hat. Der Chorgesang der drei Sängerinnen erinnerte in dem dichten tonalen Arrangement und dem satt auf den Stimmen liegenden Hall an die Sound der tiefen Sechziger. Der Gesang lag dann über einem lebendigen Funk-Groove und wurde von dreistimmigen Bläsersätzen und einem Posaune-Solo kommentiert. Schön auch der Kontrast zwischen schnellen lateinamerikanisch angehauchten Rhythmen und wabernd-verzerrten Posaune- und Gitarrenklängen. Langweilig war das auf keinen Fall. Im Gegenteil, das sauber mit ‘Intro’, ‘Outro’ und ‘Interlude’ als Gesamtkunstwerk konzipierte Album ‘A Song For Paul’ hat uns mit seinem warmen Klang und den vielen überraschenden Soundideen, die auch verzerrte Gitarren in Slow Motion und träge kratzende elektronische Störgeräusche einschlossen, über zwei Seiten bei Laune gehalten. Eine echte Entdeckung aus der Gegenwart.
Dieser Beitrag hat 0 Kommentare