Keine Songs, keine Strophen, keine Refrains und kein Solo – der Krautrock ist schon ein merkwürdiges Phänomen in der Rockmusik. Kein Wunder, das diese endlos fließende, manchmal monotone und häufig vorwärtstreibende Musik nicht aus dem angloamerikanischen Raum stammt. Während sich die Rockmusik dort letztlich aus der langen Tradition des Blues speißt, ist der in Deutschland entstandene Krautrock eine Mischung aus Rockelementen, europäischen Traditionen und Neuer Musik.
Zum 50. Jubiläum
Beim Vinylrausch #33 haben wir mit dem Debütalbum von The Can eines der ersten Alben gehört, das man dem Krautrock nicht nur aufgrund seiner Herkunft aus Deutschland zurechnen kann. Monster Movie ist ein idealer Einstieg in den Krautrock, denn in dieser Musik ist der Einfluss von Velvet Underground oder Pink Floyd genauso zu hören wie der von der neuen experimentellen, minimalistischen und seriellen Musik von Karlheinz Stockhausen oder Terry Riley.
Das Album war perfekt für den Vinylrausch, denn dieser aus kollektiven Jams und unmittelbarer Drogenerfahrung geborene Sound kann seine Wirkung beim lauten und konzentrierten Hören erst richtig entfalten – und hat dann auch bei einigen Zuhörern zu einem ›nüchternen Rausch‹ – oder eben: Vinylrausch – geführt. Selbst Krautrock-Skeptiker konnten sich dem monotonen Sog etwa von dem auf einem Kinderreim basierenden ‘Mary, Mary, So Contrary’ oder dem über zwanzigminütigen ‘Yoo Doo Right’ auf der B-Seite nicht entziehen.
Der brilliante Kontrast
Nach der Pause gab es mit ‘Brilliant Trees’ einen in mehrerer Hinsicht optimalen Kontrast zu hören. Das Album von David Sylvian hatte 1984 einige Aufmerksamkeit erregt und so wußten viele der Zuhörer schon, was sie erwartet. Für den Vinylrausch ist es ideal, wenn die Alben eines Abends unterschiedlich sind und doch etwas entscheidendes miteinander zu tun haben. ‘Brilliant Trees’ steht mit den Pop-Songs der A-Seite und den längeren, atmosphärischen Stücken der B-Seite auf der einen Seite hörbar in der Tradition der achtziger Jahre. Auf der anderen Seite sind aber die Einflüsse aus der minimalistischen Musik, die auf der zweiten Seite sich auflösenden Song-Strukturen und der Focus auf den Sound oder die Klangfarbe deutliche Bindeglieder zu der ganz anderen Musik von Can. Die Ambient-Klänge, die unter dem Einfluß von Musiker wie Ryuichi Sakamoto, Holger Czukay oder dem Jazz-Trompeter Jon Hassel entstanden sind, haben den ganzen Raum der Sputnik-Bar eingenommen und uns schließlich mit andächtigem Schweigen aus einem bewegenden Klangerlebnis entlassen.
Ein furioses Saisonfinale mit packenden Songs auf allen drei Alben. Satte Grooves, komplexe Storys und eine Handvoll Hits...
1974
Bob Marley – Natty Dread
Natty Dread ist radikal, voller Hoffnung auf Veränderungen, mit betörenden Melodien und durchdringendem Beat – Album des Monats beim rebellischen VR#66
1979
The Clash – London Calling
London Calling eines der wichtigsten Rockalben überhaupt, nicht nur der 80er Jahre. Ein Stilmix von Rockabilly über Gipsy-Jazz, Garagenrock und natürlich Reggae – gehört beim VR#66
2003
Ben Harper – Diamonds On the Inside
Diamonds On the Inside ist ein verwirrender Stilmix, abwechslungsreich, Tanzbar und voller Ohrwürmer. Erster Song: eine Reggae-Hymne. Gehört beim VR#66
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