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Steve Reich (Mivos Quartet) – The String Quartets (2023)

Steve Reich The String Quartets CoverSteve Reich The String Quartets Cover

Seite A
WTC 9/11: I. 9/11/01
WTC 9/11: II. 2010
WTC 9/11: III. WTC

Seite B
Triple Quartet: I
Triple Quartet: II
Triple Quartet: III

Seite C
Different Trains: I. America – Before the War
Different Trains: II. Europe – During the War

Seite D
Different Trains: III. After the War

Lang gehaltene Töne und rhythmische Wiederholungen von kompositorischen Miniaturen sind Mitte der Sechzigerjahre über Komponisten wie La Monte Young1 oder Terry Riley auch in die Rockmusik eingedrungen. Der Katalysator war dabei John Cale, der mit seiner elektrischen Bratsche die Improvisationen von The Velvet Underground zu scheinbar endlosen musikalischen Schleifen trieb.

Neben Terry Riley und Philip Glass ist Steve Reich der prominenteste Vertreter der in den Sechzigern jungen amerikanischen Komponistengeneration, die heute als Minimalisten bezeichnet werden. Reich war 1964 an der Uraufführung von Terry Rileys ‘In C‘ beteiligt, einer inzwischen legendären Komposition, deren Partitur auf ein Din-A4 Blatt paßt und den Musikern kurze motivische Module anbietet, die sie nach eigenem Ermessen so lange wiederholen, bis ihnen der Wechsel zum nächsten Modul angemessen erscheint. Aus diesen versetzten Wiederholungen entsteht eine ungeheure emotionale Kraft, die auch in den ineinander verschränkten rhythmischen Figuren von Reichs Musik zu spüren ist.

Auf der 30. Zappanale konnte ich eine Aufführung von ‘In C‘ mitschneiden. Im Interview erklärt Fried Dähn, Cellist beim Ensemble Modern und Bandleader bei diesem Ereignis, die Bedeutung der Komposition und ihre Herausforderungen. Interview und Auftritt der ‚Big Band‘ findet ihr hier auf YouTube.

Auf ‘The String Quartets’ sind jetzt die drei von Steve Reich komponierten Stücke für Streichquartett von dem amerikanischen Mivos Quartet eingespielt worden. Die von der Deutschen Grammophon produzierte Pressung ist musikalisch wie qualitativ ein Ereignis, der luftige und packende Sound beeindruckend. Reich nutzt das Streichquartett wie ein einziges Instrument und treibt es in seinen Kompositionen in scheinbar endlose Motivwiederholungen. Sie werden, wie häufig bei Reich, von vorproduzierten Tonbandaufnahmen begleitet, am berührendsten sicher in ‘WTC 9/11’, in dem Stimmen von Opfern der Anschläge am 11. September verarbeitet sind.

Am bestechendsten aber vielleicht in der auf zwei Albenseiten verteilten Komposition ‘Different Trains’, einem »seiner besten späten Werke«, wie der New Yorker Kritiker Alex Ross bemerkt. Hier kombiniert er die Stimmen von (amerikanischen) Schlafwagenfahrern mit denen von (europäischen) Holocaust-Überlebenden. Das Thema der historisch kontrastierten Zugfahrten paßt perfekt zu dem kompositorischen Kern einer minimalistischen Musik, die laut Brian Eno »eine Bewegung weg von der Erzählung, hin zur Landschaft« ist. Landschaft ist, wie diese Musik, in ihrem Wesen endlos.

‘Steve Reich – The String Quartets’ bietet in hervorragender Aufnahme- und Pressqualität verwirrende und packende Musik, die mit ihrer rhythmischen Energie verblüffend an Jazz- oder endlose Krautrock-Improvisationen erinnert.

Wir werden diese erst Anfang Februar 2023 erschienene musikalische Offenbarung bei einer der kommenden Vinylrausch-Veranstaltung auflegen.

  1. Eine der sehr seltenen LP-Aufnahmen von La Monte Young aus dem Jahr 1969 haben wir beim Vinylrausch #54 im März 2023 hören können! ↩︎
Vinylrausch #55
1. Steve Reich (Mivos Quartet) – The String Quartets (2023)
2. Sonic Youth – Goo (1990)
3. Roxy Music – For Your Pleasure (1973)
4. Die monotone Rückschau – Vinylrausch #55

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