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Vinylrausch XX – Hippie-Rausch Review

Vor diesem Rausch waren die Zweifel groß, ob das Programm nicht zu überambitioniert jazzig, zu (neo)proggig oder zu abgedreht psychedelisch sein könnte. Beruhigend waren dann aber schon mehrere E-Mails als Reaktion auf die Rausch-Ankündigung, die das «krasse Line-Up» eher lobend als kritisch erwähnten. Und noch erstaunlicher war schließlich das Durchhaltevermögen fast aller ZuhörerInnen und die erschöpfte Begeisterung, die nach diesem nicht unanstrengenden Rausch geäußert wurden: Das war «der Beschte» gab jedenfalls Ingo unmittelbar danach zu Protokoll – und als treuer Mit-Hörer seit dem ersten Rausch sollte er das einschätzen können… ;-)

1968
Eric Burdon and The Animals - Love Is

Auf Love Is  hat uns Eric Burdon in dem eindringlichen Psycho-Blues As The Years... das Drama des weissen Mannes erklärt.

1970
Soft Machine - Third

Von Third haben wir beim Vinylrausch XX die Minimal Music Seite D gehört.

2015
Hooffoot - Hooffoot

Hooffootist eine schwedische Jazz-Rock Produktion von 2015, die von keinerlei binärem Code beeinflusst war. Das Highlight vom Vinylrausch III – und die erste Platte, die beim Vinylrausch (XX) Applaus bekommen hat. Großartig!

2017
Eat Ghosts - An Ti E Go

An Ti E Go haben mit hartem Jazz-Prog-Rock dem Vinylrausch XX die Krone aufgesetzt.

Das freut mich natürlich, besonders für die doch eher unbekannten Bands im zweiten Teil, deren großartige Musik tatsächlich Beachtung verdient – und die ihre mindblowing-Wirkung in dem schwarzen Raum des EiszeitKinos und in bewustseinserweiternder Lautstärke abgespielt hervorragend entfalten konnten.

Es war wirklich ein erhebender Abend, der von Eric Burdon und den Animals mit dem spannungsgeladenen Psycho-Blues As The Years Go Passing By von dem 68er Album Love Is eingeleitet wurde. Eric Burdon erzählt vom Blues als Sehnsuchtsort und Herausforderung eines jeden weißen Rockmusikers und beschwört die unerwiederte Liebe mit der Drohung einer über den Tod hinausreichenden, von der Angebeteten nicht abweisbaren Liebessehnsucht.

Der in den Höhen reichlich scharfe Sound der originalen Pressung und der 60er Studio-Abmischung hätte nerven können, wenn er nicht so gut zu der leisen Piano-Einleitung und dem dramatischen Dialog der beiden E-Gitarren gepasst hätte – eine wurde übrigens von Andy Summers gespielt, der später mit Police berühmt werden sollte.

Ein großer, dramatischer Auftakt zu einem unserer bisher eindrücklichsten Räusche, zu dem dann Out-Bloody-Rageous, die vierte Seite von Soft Machine Third, ein schöner Kontrast war. Von Minimal Musik beeinflusste, leiten dronige Orgelklänge einen von Bläsern und Orgel dominierten Mittelteil ein, dessen Jazz-Rock Feeling zeitlos faszinierend klang. Wir hatten zwei Pressungen dieser Platte zur Verfügung – Danke an Max von recordsale.de! Tatsächlich war die Originalpressung eher mässig bis schlecht, wie in vielen Online-Kommentaren erwähnt, darum haben wir dann eine Pressung aus der Mitte der siebziger Jahre gehört, die keine klangliche Überraschung bot, aber völlig in Ordnung war.

Nach der Pause gab es ein paar schöne Geschichten vom Burg Herzberg Festival – und diesen Film, in dem wir den Berg und Reinhard tanzen sehen:

Wirkliches Erstaunen hat unser drittes Album hervorgerufen: die schwedische Band Hooffoot hat auch mit der zweiten Seite ihres Debütalbum restlos überzeugt. Ihr kompakter, immer stark groovender und zu ausdauernden Klangskulpturen aufgebauter Sound kommt auf der komplett analog produzierten Platte großartig rüber. Die wie ein lockerer Jam klingenden Passagen, die Bläsersoli, der Orgelsound und die Spielfreude erinnern an den Beginn des Jazz-Rocks in den Siebzigern und könnten ohne weiteres auch von Soft Machine stammen. Was diese Musik aber erst richtig interessant macht, sind die spannenden Stilwechsel, die dramatischen Fanfare, die zwischen den immer wieder aufgenommenen, diszipliniert entwickelten Jazz-Jams rockige Zäsuren setzen. Hooffoot war dann auch die erste Platte bei einem Vinylrausch, nach der spontan applaudiert wurde!

Entdeckt und auf die Freak-Stage in Herzberg eingeladen wurden Hooffoot von Charly Heidenreich, der aus dem Umfeld seiner Würzburger Extrem- und Experimentalmusikveranstaltungen verlässlich in jedem Jahr zwei oder drei meist überraschend großartige Bands auf die Pferdeweide lockt.

Für Eat Ghosts, die junge Band aus Potsdam, deren Debütalbum wir zum Schluss gehört haben, war das natürlich ein schweres Erbe, das sie aber mit großem Selbstbewusstsein gemeistert haben. Noch einmal Progrock, weit ausholend, dicht orchestriert, laut und voller erdiger Gitarrenriffs: Eat Ghosts werden im Sommer 2018 zum ersten Mal in Herzberg auftreten und wie gut sie auf dieses Festival passen, kann man auf ihrem hervorragend produzierten und trotz der dichten Musik sehr durchsichtig klingenden Debüt An Ti E Go hören. Hier kommen alles Elemente des Abends zusammen: psychedelisch dicht gestaffelte Gitarrenläufe, weit ausholende Bläserimprovisationen und knallharte Metall-Breaks. Diese Band hat vor nichts Respekt und vermischt die immer wieder durchscheinenden historischen Zitate auf lässige Weise mit harten Rockrhythmen zu einem frischen progressiven Rock, der viele überraschende Wendungen bietet und darüberhinaus auch noch tanzbar ist. Ein würdiger Abschluss für einen Vinylrausch, mit dem wir 50 Jahre Burg Herzberg Festival gefeiert haben.

Toppen kann das nur noch die Hippie-Convention am 08.05. im Berliner Columbia-Theater!

Der Auftritt auf der Freak Stage, der uns vor einigen Jahren so von Hooffoot begeistert hat, ist tatsächlich fast in voller Länge auf Youtube zu finden. Das erste Stück mit dem Titel The Last Flight of the Retite haben wir beim Vinylrausch III gehört, die B-Seite mit dem Stück FiveSevenSixEight… and Nine dann bei diesem Rausch:

Vinylrausch #20
1. Hooffoot – Hooffoot (2015)
2. Eat Ghosts – An Ti E Go (2017)
3. Der Hippie-Rausch
4. Eric Burdon and The Animals – Love is (1968)
5. Soft Machine – Third (1970)
6. Vinylrausch XX – Hippie-Rausch Review

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